Entzündliche rheumatische Erkrankungen wie der systemische Lupus erythematodes oder Gefäßerkrankungen wie eine Kleingefäßvaskulitis bereiten Patientinnen und Patienten viele Beschwerden. Eine gefährliche Komplikation können Nierenschäden sein. Eine Früherkennung hilft, schwerwiegende Folgen zu vermeiden. Worauf zu achten ist und welche Tipps Sie als Rheumatologische Fachassistenz (RFA) geben können, erläutert Prof. Dr. Thomas Rauen, Rheumatologe und Nephrologe an der Uniklinik der RWTH Aachen. | |
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LILLY: Welchen Zusammenhang gibt es zwischen Rheuma und Nierenerkrankungen?
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Prof. Rauen: Bei entzündlichen Rheumaerkrankungen kommt es zu immunologischen Prozessen im Körper. So bilden sich Antikörper-Antigen-Komplexe, die in der Niere die kleinsten Gefäße verstopfen. Dadurch kann es auch in der Niere selbst, lokal vor Ort, zu weiteren Entzündungen kommen. Das ist für das Gewebe sehr ungünstig. Es kann vernarben. In der Folge kann die Filtrationsleistung der Niere eingeschränkt sein. Die Niere kann soweit geschädigt werden, dass letztendlich eine dauerhafte Dialysebehandlung notwendig wird. Aber auch andere Aufgaben kann die Niere dann nicht mehr wahrnehmen. Die rheumatologische Erkrankung und die dadurch ausgelösten immunologischen Effekte sind so etwas wie die Initialzündung. An der Niere kann sich das Problem der verstopften Gefäße dann verselbständigen. | |
LILLY: Welche weiteren Aufgaben kann die Niere dann nicht mehr wahrnehmen? Was passiert bei eingeschränkter Nierenfunktion?
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Prof. Rauen: Das kann sehr vielfältige Folgen haben. Zentrale Aufgabe der Niere ist eine Regulation der Wasserausscheidung. Funktionieren die Nieren nicht mehr richtig, verbleibt Wasser im Körper und lagert sich insbesondere an den Unterschenkeln ab. Es entstehen Ödeme. Aber auch in der Lunge kann es zu Ödemen kommen. Die Betroffenen bekommen dann wenig Luft, haben Atemnot. Die Niere ist auch für den Elektrolythaushalt zuständig. Die Natrium- und Kalium-Ausscheidung wird hier reguliert. Eine geschädigte Niere kann diese Aufgabe nicht gut wahrnehmen. Es kann sich auch ein Bluthochdruck entwickeln. Außerdem ist die Niere am Säure-Basen-Haushalt beteiligt. Weiterhin hat das Organ eine wichtige Bedeutung im Knochenstoffwechsel: Es reguliert den Calcium- und Phosphat-Haushalt. Die Niere entgiftet den Körper. Sie sehen schon – eine Nierenfunktionsstörung gilt es zu vermeiden. Eine Schädigung der Niere ist ein schleichender, unspezifischer Prozess. Hinweise darauf können Symptome wie Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schlafstörungen, Muskelkrämpfe, Polyneuropathien bis hin zu Koma-Zuständen sein. | |
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Prof. Dr. med. Thomas Rauen ist sowohl Facharzt für Nephrologie als auch für Rheumatologie. Er leitet die Sektion Rheumatologie an der Medizinischen Klinik II des Universitätsklinikums in Aachen. Im Rahmen seiner Ausbildung hat er sich bereits intensiv mit dem Lupus erythematodes befasst. Er ist Träger der Walter-Siegenthaler-Medaille für Fortschritte in der Inneren Medizin und erhält regelmäßig Forschungsförderungen der Deutschen Forschungs Gemeinschaft (DFG). Die Fortbildung der RFAs liegt ihm sehr am Herzen und er engagiert sich daher persönlich hierfür. | |
LILLY: Können sich alle rheumatischen Erkrankungen derart auf die Niere auswirken?
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Prof. Rauen: Alle entzündlichen rheumatischen Erkrankungen können prinzipiell die Niere schädigen. Allerdings kommt dies aufgrund der modernen Medikation bei der rheumatoiden Arthritis (RA) oder Polymyalgia rheumatica nur noch selten vor. Anders ist dies beim systemischen Lupus erythematodes (SLE). Bei dieser Erkrankung, die meist Frauen betrifft, ist die Niereinsuffizienz eine häufige Folge der Erkrankung. Hier sollten auch RFAs besonders aufmerksam auf drohende Symptome einer zunehmenden Verschlechterung der Niereninsuffizienz achten. Ähnlich häufig treten Nierenschädigungen auch bei Kleingefäßvaskulitiden auf. | |
LILLY: Welche Tests können zur Abschätzung der Nierenfunktion gemacht werden und wann sollte die RFA hellhörig werden?
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Prof. Rauen: Klinische Zeichen sind Ödeme an den Beinen und Luftnot. Das können RFAs gut feststellen oder sie bekommen es beim Patientengespräch oft sogar gesagt. Der Blutdruck ist auch immer ein sicheres Warnsignal. Er sollte höchstens bei 140/90 mmHg liegen, eher etwas niedriger, wenn bereits kardiovaskuläre Probleme bestehen. Liegt er darüber, ist es sinnvoll, wenn RFAs dies ansprechen und Tipps für die Blutdrucksenkung geben. Weitere Hinweise befinden sich auch in den Blutwerten. Der erhöhte Kreatinin-Wert ist ein wichtiges Zeichen für eine beeinträchtigte Nierenleistung. Ebenso gibt die geschätzte glomeruläre Filtrationsrate, die im Laborergebnis mit „eGFR“ abgekürzt wird, wichtige Hinweise. Anhand dieses Wertes kann die Nierenfunktionsstörung in Stadien eingeteilt werden. Für RFAs ist es ganz wichtig, bei Patientinnen und Patienten mit höherem Risiko sorgfältig auf Urintests zu achten. Eiweiß oder Blut im Urin sind deutliche Zeichen einer gestörten Nierenfilterleistung. Ich rate immer dazu, dass die Betroffenen Teststreifen zu Hause haben und den Urin regelmäßig, zum Beispiel alle 14 Tage, selbst mit diesen Streifentests untersuchen. Bei Auffälligkeiten können sie dann gleich die RFA anrufen. | |
LILLY: Die RFA hat also eine bedeutende Funktion bei der Überwachung des Nierenstatus?
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Prof. Rauen: Das sehe ich so, ja. Wenn die RFA über die spezifische Erkankung Bescheid weiß, kann sie besonders auf Vorboten achten. Die RFA hat viele Kontaktpunkte zu den Patientinnen und Patienten und kann im Gespräch heraushören, was sie bewegt. So kann ein plötzlich eng gewordener Schuh erstes Anzeichen für Ödeme sein. Oder es wird über hohen Blutdruck berichtet, auf den die Medikamente nicht mehr ausreichend ansprechen. Dies sind entscheidende Hinweise, die RFAs für das ärztliche Gespräch weitergeben können. | |
LILLY: Welche nicht-medikamentösen Interventionen gibt es bei einer eingeschränkten Nierenfunktion?
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Prof. Rauen: Bevor ich etwas zu den nicht-medikamentösen Interventionen sage, möchte ich auch medikamentöse ansprechen. RFAs sollten darauf achten, dass Menschen, die eine Nierenfunktionsstörung haben, keine nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen oder Diclofenac einnehmen. Auch mit bestimmmten Antibiotika sollten sie vorsichtig sein. Bei allen Medikamenten muss auf die Dosis geachtet werden und ggf. die Dosis an eine sich verschlechternde Nierenfunktion angepasst werden. In Gesprächen sollte dies immer wieder erwähnt werden. Was ebenfalls immer wieder aufgegriffen werden sollte, ist das Thema Bewegung. Jede Form der Bewegung kann hilfreich sein. Sie ist auch zur Vermeidung von Übergewicht bedeutsam. Den Body Mass Index zu normalisieren, ist bei Nierenerkrankungen sehr wichtig. Er sollte unter 25 kg/m2 liegen. | |
LILLY: Dann spielt die Ernährung sicher auch eine bedeutende Rolle?
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Prof. Rauen: Über dieses Thema könnten wir ein ganzes Interview führen. Ernährungstipps haben RFAs ja in Bezug auf die Rheumaerkrankung schon parat. Kommen Nierenfunktionsstörungen dazu, sollte besonders auf die Eiweiß-Zufuhr geachtet werden. Sie sollte nicht zu hoch sein, weniger als 0,8 g pro kg Körpergewicht. 2/3 des Eiweiß sollten aus Pflanzen stammen, nur 1/3 aus tierischen Produkten. Auch beim Salz ist Vorsicht geboten. Mehr als 2 g täglich sind schädlich – und das ist schnell erreicht. Ebenso ist mit Phosphat vorsichtig umzugehen. Die Ernährung sollte Kalium-arm sein, besondere Vorsicht ist hier z. B. bei Bananen und Hülsenfrüchte geboten. Ich rate dazu, sich Broschüren oder Flyer zum Thema Ernährung bei Nierenerkrankungen zurechtzulegen. | |
LILLY: Herr Prof. Rauen, wir danken Ihnen für dieses interessante Gespräch!
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Bildhinweise: © istockphoto.com/ Kateryna Onyshchuk; © istockphoto.com/BeritK; © istockphoto.com/Bojan89; Expertenfoto: Prof. Dr. Thomas Rauen
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