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PD Dr. Johannes Knitza ist Facharzt für Rheumatologie und arbeitet seit 2023 als Oberarzt am Institut für Digitale Medizin am Universitätsklinikum Marburg. Davor leitete er im Universitätsklinikum Erlangen die AG Digital Health & Versorgungsforschung. Darüber hinaus ist er stellvertretender Sprecher der DGRh Kommission Digitale Rheumatologie. | |
LILLY: Wie viele von diesen Ideen sind bereits praxisnah, was ist Zukunftsmusik?
PD Dr. Johannes Knitza: In der Realität hat noch nicht alles Einzug gehalten. Aber es wird bereits viel geforscht und validiert. Das ist die Basis. In der Praxis verfügbar sind derzeit beispielsweise Ultraschall-Roboter, die bei der Auswertung des Bildmaterials unterstützen. Vergleichbares gibt es auch für Röntgenaufnahmen und MRT-Daten. Auch im Bereich Labordiagnostik gibt es bereits eine Anwendung, die Muster erkennen kann.
LILLY: Wie sieht es mit den Erleichterungen für die Fachassistenz in der Rheumapraxis aus?
PD Dr. Johannes Knitza: Hier kann ich mir viele Einsatzbereiche vorstellen: zum Beispiel bei der Terminvereinbarung, Dienstplanerstellung, Korrespondenz mit Krankenkassen und Behörden oder bei der Arztbrieferstellung. Von ChatGPT könnte die RFA auch im Bereich der Kommunikation mit Patientinnen und Patienten profitieren: Die KI könnte Fragen beantworten und damit bei der Aufklärung unterstützen. Für die RFA wäre das eine große Zeitersparnis. Zeit, die sie zum Beispiel sinnvoll für die individuelle Betreuung der Betroffenen einsetzen kann. Im Hier und Jetzt wäre es für viele Praxen schon ein wichtiger Schritt, wenn alle Daten digital erfasst werden könnten. Immer noch werden viele Erhebungsbögen in Papierform eingesetzt – das wäre auch mit Tablets denkbar und ein großer Fortschritt. Die digitale Datenerfassung ist eine wichtige Grundlage, dass KI-basierte Lösungen zukünftig greifen können.
LILLY: Wie gut ist ChatGPT in Sachen Kommunikation? Wie zuverlässig sind die Informationen und wie steht es mit der Empathie?
PD Dr. Johannes Knitza: Dazu konnten wir bereits erstaunliche Daten gewinnen.2 Eine europäische Arbeitsgruppe zu systemischem Lupus erythematodes (SLE) hat einmal die 100 wichtigsten Fragen und Antworten zu der Erkrankung von ChatGPT-4 und Ärztinnen bzw. Ärzten beantworten lassen. Ein rheumatologisches Fachgremium hat die Antworten ausgewertet – natürlich verblindet. Das interessante Ergebnis: ChatGPT-4 lieferte eine signifikant bessere Qualität der Antworten. Sie wurden numerisch gesehen auch als „empathischer“ bewertet. Grund hierfür war die Länge der Texte. Die Fragen wurden von der KI durchschnittlich länger und schöner formuliert und das in einer sehr kurzen Zeit. Es ist bereits viel an Konzepten vorhanden, dem Personal- und Zeitmangel in den Rheumapraxen zu begegnen. Aber es ist noch nicht alles validiert.
LILLY: Wie sieht es mit rechtliche Risiken aus? Worauf ist bei der Nutzung von KI zu achten?
PD Dr. Johannes Knitza: Wenn mit den Tools nicht adäquat umgegangen wird, kann dies schon zu Problemen, auch rechtlicher Art, führen. Es ist notwendig, sich gut zu überlegen, mit welchen Daten die KI „gefüttert“ wird und was preisgegeben werden kann. Datensicherheit ist für mich ein vorrangiges Thema – vor allem wenn es um sensible Daten von Patientinnen und Patienten geht. Ich sehe auch eine Gefahr darin, sich zu sehr auf die KI zu verlassen. Nicht alles, was ChatGPT als Fakten ausgibt, entspricht immer der Realität. Die KI hat eine eigene Dynamik und kreiert teilweise auf Basis ihres Wissens Inhalte neu. Die Antworten und Ergebnisse müssen stets mit dem eigenen Wissen abgeglichen werden. Jeder Anwendende ist am Ende für die resultierenden Ergebnisse verantwortlich.
LILLY: Welche sonstigen digitalen Anwendungen können für die rheumatologische Facharztpraxis einen Mehrwert bringen?
PD Dr. Johannes Knitza: In diesem Bereich passiert wirklich sehr viel. Ich erkenne einen Benefit in Anwendungen, die Patientinnen und Patienten bei der Vorbereitung eines Termins unterstützen. So kann die Anamnese sehr viel strukturierter ablaufen und Betroffene haben die Möglichkeit, sich Themen und Fragen zu notieren, so dass beim Termin nichts vergessen wird. Dann möchte ich noch die digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) ansprechen. Zwar sind bislang keine DiGA für entzündlich rheumatische Erkrankungen zugelassen. Die Patientinnen bzw. Patienten haben aber häufig Begleiterkrankungen wie Depressionen, chronische Rückenschmerzen oder Übergewicht. Hier gibt es bereits nützliche DiGA. Waerables werden etwa von jeder/jedem Dritten schon genutzt. Diese sollten auswertbar sein, dann können wir sie gut verwenden.
LILLY: Ein Blick in die Kristallkugel, bitte: Wo sehen Sie weitere interessante Entwicklungen in der Rheumapraxis?
PD Dr. Johannes Knitza: In Zeiten von Fachkräftemangel und Kostenexplosion ist Effizienz ein wichtiges Thema. Die Digitalisierung muss zunehmen. Ich sehe große Chancen in der elektronischen Patientenakte, ePA. Die darin gespeicherten Daten können helfen, Doppeluntersuchungen zu vermeiden und das Papierrezept, beispielsweise für DiGA, ad acta zu legen. Beschwerdefreie, die lediglich wegen ihres Rezeptes in die Praxis kommen müssen, könnten von einem telemedizinischen Angebot profitieren. Das würde auch für sie unnötige Vor-Ort-Termine reduzieren und die Praxis entlasten.
LILLY: Herr PD Dr. Knitza, wir danken Ihnen für dieses zukunftsweisende Gespräch! |
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Quellen:
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Krusche M et al. Diagnostic accuracy of a large language model in rheumatology: comparison of physician and ChatGPT-4. Rheumat Int 2024;44:303–306; https://link.springer.com/article/10.1007/s00296-023-05464-6 [letzter Zugriff: 21.11.2024]
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Haase I et al. POS0738 ChatGPT-4 for patient education in Lupus: a quality and empathy analysis, Annals of the Rheumatic Diseases 2024;83:963-964;https://ard.bmj.com/content/83/Suppl_1/963.2 [letzter Zugriff: 21.11.2024]
Bildhinweise: © istockphoto.com/Pornpimone Audkamkong; Expertenfoto: © PD Dr. Johannes Knitza
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