Wer kennt es nicht: Man sagt zu einer Bitte „Ja“, obwohl man eigentlich lieber „Nein!“ sagen würde. Altbekannt und doch immer wieder ein Thema: Gerade in helfenden und unterstützenden Berufen spürt man manchmal eine besondere Verantwortung, mit „Ja“ zu antworten, anstatt auch mal ein „Nein“ zu formulieren. Das geht auf Dauer an die eigene Substanz. Erfahren Sie, wie es Ihnen künftig leichter fallen kann, in Gesprächen freundlich, aber bestimmt Ihre Grenzen aufzuzeigen. | |
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Auf eine Bitte „Ja“ zu sagen ist meist deutlich einfacher, als mit einem „Nein“ zu reagieren. Tut man nur hin und wieder anderen einen kleinen Gefallen, auch wenn es gerade so gar nicht passt, entsteht kein echtes Problem. Wenn durch dieses Verhalten jedoch die eigene Belastung stetig wächst und es in Stress und Überlastung ausartet, ist es an der Zeit, die Gründe für das „Ja“ zu überdenken. Denn hinter der Scheu, „Nein“ zu sagen, stecken vielfach unbewusste Überzeugungen und gelerntes Verhalten wie: „Ich muss freundlich sein, anderen helfen, alles schaffen etc.” Diese stammen nicht selten noch aus der Kindheit und sorgen dafür, dass man auch als Erwachsener seine Interessen oder auch Grenzen nicht gut formulieren kann. | |
Die gute Nachricht hierbei ist: Man kann Nein-Sagen lernen! Im ersten Schritt kann es Ihnen helfen, sich genau bewusst zu machen, wann Sie „Ja“ statt „Nein“ sagen, um sich selber auf die Schliche zu kommen. Welche Befürchtungen verbinden Sie mit dem „Nein“? Das kann zum Beispiel die Sorge sein, den Bittsteller zu verletzen, sich selber unbeliebt zu machen oder in einen Konflikt zu geraten. Oder auch die Angst, Ihren eigenen Ansprüchen bzw. Überzeugungen nicht gerecht zu werden. Was es letztlich auch sein mag: Es hindert uns daran, für unsere eigenen Bedürfnisse einzustehen. Machen Sie sich Ihre emotionalen Beweggründe bewusst und versuchen Sie, die Weichen in Ihrer Kommunikation neu zu stellen. | |
Wertschätzend und lösungsorientiert
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Es ist so wichtig und auch ein gutes Gefühl, das einfach einmal auszuprobieren. Vielleicht gelingt Ihnen mit ein bisschen Übung folgender Ansatz: Gehen Sie zunächst auf Ihr Gegenüber und dessen Anliegen wertschätzend ein. Fragen Sie nach, was die individuellen Gründe sind und zeigen Sie Interesse. Statt jetzt ein verständnisvolles „Ja, na klar…“ zu formulieren, versuchen Sie eher eine Lösung zu finden, die allen gerecht wird. Ein Beispiel: Ihre Kollegin möchte kurzfristig einen Tag frei haben, um den Geburtstag ihres Mannes zu feiern. Zu diesem Zeitpunkt ist das Praxisteam aber zu schwach besetzt. Die Lösung: Vermitteln Sie der Kollegin, dass Sie ihr Anliegen gut verstehen, aber Sie sie an diesem Tag nicht komplett vertreten können. Bieten Sie ihr stattdessen einen anderen, besser passenden Tag zum Nachfeiern an oder vielleicht wäre auch ein verkürzter Arbeitstag ein guter Kompromiss. Oder nehmen Sie folgendes Beispiel: Ihr Kollege bittet Sie, die Warenbestellung für ihn zu übernehmen, da er noch dringend etwas besorgen müsse und früher Feierabend machen möchte. Erläutern Sie freundlich, aber bestimmt, dass Sie ihn verstehen, aber dies zeitlich nicht schaffen. Sie könnten ihm aber anbieten, die Aufgabe gemeinsam zu erledigen, damit es schneller von der Hand geht. | |
4 weitere konkrete Tipps, die Ihnen helfen können, den richtigen Weg zum „Nein“ zu finden:
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Tipp 1: Bedenkzeit einräumen Um sich nicht ungewollt zu einem „Ja“ hinreißen zu lassen, räumen Sie sich Bedenkzeit ein. Ein Beispiel: Ihr Kollege bittet Sie darum, eine für Sie völlig neue Aufgabe zu übernehmen. Bitten Sie daraufhin freundlich um eine Vertagung der Antwort: „Danke, das ist eine interessante Herausforderung. Ich denke darüber nach und melde mich morgen mit einer Antwort bei dir/Ihnen. Einverstanden?” | |
Tipp 2: Grund nennen
Sollten Sie zu dem Schluss kommen, dass Sie die Aufgabe nicht übernehmen möchten, kann Ihnen ein aufrichtiger Grund das „Nein“ sagen erleichtern. Zum Beispiel: „Ich habe selber so viel auf dem Tisch und muss heute wegen eines wichtigen Termins pünktlich gehen.” Eine solch konkrete Angabe birgt die Möglichkeit, gemeinsam eine Lösung zu finden. Aber es besteht auch die Gefahr, sich von Nachfragen verunsichern zu lassen. Wägen Sie das Für und Wider ab. Unter Umständen kann daher manchmal auch ein klares, aber freundliches „Nein” ohne detaillierte Ausführung die beste Reaktion sein.
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Tipp 3: Klarheit hilft
Wie wichtig die richtige Formulierung für eine Absage ist, belegte ein eindrucksvoller Versuch an der Universität Oxford.1 Dabei hatten 120 Studierende in verschiedenen Szenarien die Wahl aus drei unterschiedlichen Reaktionen: „ich kann nicht“, „Nein“ und „ich werde nicht“. Am schnellsten umstimmen ließen sich diejenigen, die „ich kann nicht“ zur Ablehnung nutzten. Die Probanden, die sich für „ich werde nicht“ entschieden, blieben zum Großteil bei ihrem Standpunkt. Die wirksamste Reaktion für alle Beteiligten war jedoch das klare und einfache „Nein“. | |
Tipp 4: Körper einsetzen
Damit Ihr gesprochenes „Nein“ bei Ihrem Gegenüber glaubwürdig ankommt, nutzen Sie zusätzlich die Überzeugungskraft Ihrer Körpersprache.
Indem Sie Ihren Rücken aufrichten, leicht breitbeinig und ruhig stehen und den Blickkontakt suchen, unterstreichen Sie, dass Sie sicher und klar hinter Ihren Worten stehen. Den Kopf zu schütteln, kann die Aussage zusätzlich unterstreichen. Übrigens ist diese Herangehensweise keine Einbahnstraße: Mit Ihrer selbstbewussten Körperhaltung wirken Sie auch bestärkend auf sich selbst, so dass es Ihnen leichter fällt, bei Ihrer Absage zu bleiben.
Das Umdenken und der Einstieg in diese Sich-SELBST-Bewusste Haltung ist zu Beginn nicht immer leicht. Unbewusste Überzeugungen und eigene Ansprüche sind tief verankert und im turbulenten Praxisalltag fällt man schnell in bekannte Verhaltensmuster zurück. Üben Sie das „Nein“ zunächst im privaten Umfeld und wagen Sie nach ersten Erfolgen, dies in den Berufsalltag zu übertragen. | |
Balance halten – Prioritäten setzen
Nicht zuletzt gilt: Machen Sie sich klar, dass Sie es nicht immer allen recht machen können. Und dazu zählen auch Ihre eigenen Ansprüche. Daher ist es mehr als logisch, im gleichen Maße, wie Sie für das Wohlergehen anderer sorgen, auch Ihr eigenes Befinden wertzuschätzen und zu schützen. Fragen Sie sich, was in Ihrem eigenen Leben zu kurz kommt, wenn Sie nicht „Nein“ sagen. Zum Beispiel: Wenn Sie Ihre Kollegin vertreten, entfällt Ihr einziger freier Abend in der Woche. Wägen Sie ab, was wichtiger ist und setzen Sie mit Respekt gegenüber Ihren eigenen Bedürfnissen die Prioritäten. | |
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