Sex sollte eine der schönsten Nebensachen der Welt sein, aber ist für viele Menschen mit Rheuma mit Sorgen verbunden, weiß PD Dr. Eva Schwaneck, Rheumatologin aus Hamburg. Eine genaue Ziffer ist schwer zu benennen, denn Schwierigkeiten beim Sex werden meist nicht offen thematisiert. Dabei wünschen sich viele Betroffene, dass sie auf die Probleme angesprochen werden – weil sie es sich selbst nicht trauen. Wie Sie als Rheumatologische Fachassistenz und Medizinische Fachangestellte* sensibel mit dem Thema „Sex bei Rheuma“ umgehen und welche Tipps Sie geben können – darüber sprachen wir mit der Ärztin. | |
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LILLY: Welche sexuellen Probleme treten bei Rheuma-Erkrankungen auf und welche Ursachen haben Sie? | |
PD Dr. Eva Schwaneck: Bei den unterschiedlichen Rheuma-Erkrankungen treten verschiedene Probleme bei unseren Patientinnen und Patienten auf. Ein wesentlicher Punkt ist bei vielen Indikationen, dass sich sowohl Frauen als auch Männer unattraktiv fühlen. Die Psoriasis-Arthritits ist hierfür ein gutes Beispiel. Wenn die Haut schuppt, ist es den Betroffenen oft unangenehm, sich vor dem Partner bzw. der Partnerin zu entblößen. Das gilt auch für Erkrankungen, bei denen die Fingergelenke entstellend verändert sind. Das schafft ein erschwertes Klima für Zweisamkeit. Oft sind es aber auch die Müdigkeit, Abgeschlagenheit und der Schmerz, die eine Lust auf Sexualität unterbinden.
Speziell beim Sjögren-Syndrom kommt es zu sehr trockenen Schleimhäuten. Das betrifft auch den Intimbereich. Sexualität kann dann sehr schmerzhaft sein. Die systemische Sklerose kann den Vaginalkanal verengen – ebenfalls eine Belastung für die Sexualität. Bei Männern führt die systemische Sklerose oft zu Erektionsstörungen. Zwar kommt es eher selten vor, aber auch Medikamente können einen Einfluss auf die Libido haben. | |
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PD Dr. Eva C. Schwaneck ist Rheumatologin und Geschäftstführerin des MVZ „Rheumatologie und Autoimmunmedizin“ in Hamburg in der Mönckebergstraße. Zuvor leitete Sie die Rheumatologie der Asklepios Klinik Altona in Hamburg. Ihre Ausbildung und auch die Habilitation erfolgte an der Universitätsklinik in Würzburg. | |
LILLY: Sind Frauen häufiger betroffen als Männer? | |
PD Dr. Eva Schwaneck: Das lässt sich so nicht feststellen. Da allerdings Frauen häufiger von Rheuma betroffen sind als Männer, sind vermutlich auch mehr Frauen mit Rheuma in ihrer Sexualität eingeschränkt. | |
LILLY: Woran kann die Rheumatologische Fachassistenz erkennen, ob Patientinnen oder Patientinnen Probleme mit ihrer Sexualität haben? | |
PD Dr. Eva Schwaneck: Das ist nicht leicht festzustellen. Die allermeisten Menschen sprechen nicht von sich aus über ihre Sexualität. Da gilt es aufmerksam zu sein und Signale offen aufzugreifen. Ich finde es wichtig, dass die Rheumatologische Fachassistenz ganz normal reagiert, wenn ein Patient beispielsweise über Libido-Mangel oder Schmerzen beim Sex redet. Es ist menschlich, dass es zunächst etwas peinlich oder seltsam erscheint, wenn man nicht auf das Thema vorbereitet ist. Daher besprechen wir uns in unserem Team regelmäßig dazu, dass Reden über Sex normal ist und alle so normal wie möglich damit umgehen sollten. Keiner sollte vermitteln, dass das Thema Sexualität komisch oder schambehaftet ist. | |
LILLY: Was können RFAs in diesen Fällen raten? | |
PD Dr. Eva Schwaneck: Ein Gleitgel oder Vaseline kann die RFA durchaus empfehlen. Es ist wichtig, das Thema außerdem bei der Rheumatologin bzw. dem Rheumatologen zu platzieren. Ich konnte einer Patientin mit systemischer Sklerose schon einmal mit einem Rezept für Krankengymnastik und einem Beckenbodentrainig sehr gut weiterhelfen. Bei Schuppenflechte ist es wichtig, die Grunderkrankung gut im Griff zu haben. Wenn ich weiß, dass auch das Sexualleben betroffen ist, kann ich das im Blick behalten. Bei Erektionsstörungen kann ich in Absprache mit einem Urologen PDE-5-Hemmer verordnen. Mit einem entsprechenden Tipp kann ich entscheiden, ob ggf. auch eine psychotherapeutische Mitbetreuung in Frage kommt.
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LILLY: Haben Sie Tipps für betroffene Menschen mit Rheuma, wie ein erfülltes Sexleben trotz Rheuma möglich sein kann? | |
PD Dr. Eva Schwaneck: Eine individuelle Beratung ist in der Rheumapraxis schwer zu leisten. Aber eine Sache möchte ich nennen, die sehr grundsätzlich ist und für die meisten Fälle gilt: Viele Betroffene meiden Geschlechtsverkehr, weil er ihnen Schmerzen bereitet. Hier rate ich – auch wenn es auf den ersten Blick paradox erscheint – zu mehr und zu regelmäßigem Geschlechtsverkehr ggf. unter Zuhilfenahme eines Gleitgels. Je häufiger die Patientinnen Sex haben, desto besser wird es mit der Trockenheit, da durch die Erregung die Schleimhaut feuchter wird.
Außerdem empfehle ich meinen Patientinnen und Patienten gerne, sich auf der Webseite der Rheuma-Liga umzuschauen. Da gibt es immer konkrete nützliche Tipps und Anregungen. | |
LILLY: Frau Dr. Schwaneck, wir danken Ihnen für dieses interessante Gespräch!
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Tipps der Rheuma-Liga für ein erfülltes Sexleben trotz Rheuma
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Passen Sie Ihren Alltag an und schaffen Sie sich den Raum, weiterhin Sexualität und Lust zu erfahren – eröffnen Sie sich zum Beispiel neue Zeitfenster, etwa tagsüber, wenn Sie abends zu müde sind.
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Sex kann Schmerzen lindern, entspannen und die Funktionalität steigern. Intime Erlebnisse und Lustbefriedigung können Ihnen helfen, den Körper (wieder) als etwas Positives zu erfahren – und nicht nur etwas, das Schmerzen produziert und Einschränkungen hat.
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Kommunizieren Sie offen mit Ihrem Partner: Was geht, was nicht? Was wünschen Sie sich?
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„Der Kopf ist das wichtigste Sexualorgan"!
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Vorkehrungen und Planungen erleichtern Sex: Schaffen Sie für Sie hilfreiche Umstände – vielleicht ein warmes Bad vorab, um die Gelenke zu lockern, warme Socken. Laut einer Studie kamen Frauen, die beim Sex Wollsocken trugen, 30 Prozent häufiger zum Orgasmus.
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Bleiben Sie erfinderisch, probieren Sie neue Stellungen aus, setzen Sie Hilfsmittel wie Gleitgel oder stützende Kissen ein.
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Nehmen Sie Ihre Schmerzmittel am besten 30 Minuten vorher ein, damit sie optimal wirken.
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Bleiben Sie offen für Romantik und Kuscheln – Sexualität besteht aus viel mehr Spielarten als nur die Penetration.
Weitere interessante Hinweise finden Sie auch hier auf der Website der Rheuma-Liga. | |
Fußnote: * nachfolgend zusammenfassend RFA genannt
Bildhinweise:
© istockphoto.com/AndreyPopov; Expertinnenfoto: PD Dr. Eva C. Schwaneck
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